1990-2000
Wendezeit - auf dem Weg zum Verein und seine Chancen
von Siegfried Behla
Vorwort
Es ist für den Verfasser der Zeilen nicht einfach, eine Zeit zu beschreiben, in der er selbst gelebt, gehandelt und aktiv mitgewirkt hat. Andere sollen beurteilen, ob man sich selbst treu geblieben ist und seine Ideale verwirklichen konnte. Man wird bewerten, ob den vielen Worten in der Wendezeit die entsprechenden Taten gefolgt sind. Ein jeder Mensch, der die Zeitändern wollte, hatte damals wie heute vielfältige Wünsche, Träume und Ziele. Als Christ denke ich heute noch an das Wunder des Heiligen Geistes in der atheistisch geprägten DDR. Die Sprachen der SED-Politiker in Berlin wurden verwirrt, woraufhin die Grenzen zum Westen, am 8. November 1989, aufgingen. Es war die Zeit, wo alle Kraft aus den Kirchen heraus kam und Tausende im Land zu den Friedensgebeten eilten.
Gutes bewahrt
Als nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg durch eine Verordnung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) im Osten Deutschlands alle Vereine aufgelöst wurden, benötigte man mit dem Aufbau des Männerchores Großenhain-Naundorf eine innere Verwaltungshierarchie zur Leitung. Klugerweise besann man sich damals auf die bisherigen Satzungen und setzte diese wieder in Kraft. Über all die Jahre der DDR hinweg verwaltete sich unser Chor in dieser Tradition. Es gab immer den 1. Vorsitzenden, den 2. Vorsitzenden, die Schriftführer, die Notenwarte, den Vergnügungsausschuss und den Liedermeister. Selbst der Übungsabend des Chores wurde auf Dienstag um 20.00 Uhr festgelegt. Auch wenn die Männerchöre in dieser Zeit von den Kulturaktivisten belächelt und oft benachteiligt wurden, sollte sich diese Struktur bewähren.
Zeit des Aufbruchs
Am 28. Oktober 1989, einem Donnerstag, schloss die Rockgruppe Solaris aus Berlin ihr Konzert in der Marienkirche mit dem Lied Dona nobis pacem. Während dieser musikalischen Bitte um Frieden entzündeten die Besucher Kerzen als Symbol der Gegenwart Gottes. Unmittelbar nach dem Konzert begannen vier Großenhainer, am Wildenhainer Tor der Kirche, mit dem gemeinsamen Ruf Wir sind das Volk die erste Demo in unserer Stadt. Viele Konzertbesucher warteten förmlich darauf, dass jemand das Signal gibt. Mit meiner Frau schlossen wir uns an. Ungefähr 100 Menschen waren voller Mut und Hoffnung, doch keiner wusste, wie der Abend ausgeht und ob die Staatsmacht eingreift oder nicht. In den Seitenstraßen sah man Abseitsstehende, die dem Ruf Schließt euch an, wir brauchen jeden Mann, nicht folgten. Das war der friedliche Beginn der Donnerstagsdemo in Großenhain. Was waren die Motive der Sänger, die sich im Folgenden dem Neuen Forum, der Arbeitgruppe Kultur, angeschlossen haben. Dabei waren Kantor Joachim Jänke, Sangesfreund (Sfr.) Gerhard Kürbis und Sfr. Siegfried Behla. Die Treffen fanden sämtlich im Eckhardt-Haus statt. Wir trafen uns im unteren linken Raum der Inneren Mission, später Diakonie genannt. Nach einer Donnerstag-Demo im November 1989 ergriff unter vielen der Sfr. Behla vom Balkon des Rathauses aus das Wort an die versammelte Menschenmenge. In seiner Ansprache forderte er unbedingte Veränderungen in den sozialen und in den kulturellen Bereichen der Stadt. Er kritisierte die sozialistische Kleinkariertheit und die Einspurigkeit der Kulturszene in Großenhain, die Verwehrung von Druckgenehmigungen und die Gesinnungsschnüffeleien in den Chören. Auslösende Ursachen waren die Schwierigkeiten, 100 Jahre Männerchor in Großenhain feiern zu wollen und die Diktate als mündiger Bürger erdulden zu müssen. Er kritisierte die Willkür der herrschenden Partei vor Ort und ihre willfährigen unverbesserlichen Eiferer in der Kulturszene.
Zeit des Erinnerns
Unvergessen und in der Chorchronik festgehalten ist die Schikane, die uns als Männerchor der TVG Lautex 1985 gemacht wurde. Wir wollten wie andere Chöre im Bezirk Dresden auch unser 100-jähriges Jubiläum feiern. An einem Nachmittag im März wurden die Vorstandsmitglieder zum Werkleiter Geisler des VEB Lautex bestellt. Dort versammelt waren Funktionäre der SED Betriebs- und Kreisleitung. Das Thema: 100 Jahre Männerchor im 40. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus begehen oder nicht begehen zu dürfen. Im Weiteren wurde vor dem Druck unser Programm mit Erläuterungen zur Festwoche diskutiert. Das Redaktionsteam hätte keinen klaren ideologisch gefestigten sozialistischen Klassenstandpunkt des Männerchores zum Ausdruck gebracht und deshalb dürfe das nicht erscheinen. Letztlich ging es darum, warum wir gerade am Samstag, dem 20. April, mit einem Männerchortreffen im Haus der Pioniere eröffnen wollen. Voller Wut über die Arroganz und Dummheit der Unterstellungen verließen wir den Ort des Verhöres. Es war eine groteske Erfahrung, die uns für die Zukunft geprägt hat. Nur der Werkleiter setzte sich für uns ein, da er uns als Persönlichkeiten kannte. Wir erfuhren von einigen Genossen eine Wertschätzung als Kulturensemble, wie man unsere kulturellen Leistungen in der Region einfach ignorierte und mit einem Handstreich der Macht unter den Tisch fegte. Der hintertreibende Aktivist dieser unsäglichen Zusammenkunft ist uns seit damals bekannt. Schließlich erfuhr unsere Festschrift noch ein ausgerichtetes Vorwort. Unser Text der Redaktionskommission begann mit den Worten: Sieben Bände der Chronik ?¦.. Der Verfasser dieses Vorwortes ist uns bis heute nicht bekannt. Es war aus Sicht aller Sänger, unter der damaligen Chorleitung von Volker Janke, eine sehr gelungene Festwoche. Unser Fazit bei der Auswertung: Die 110 Jahre werden nicht gefeiert, da wir dann wieder mit dem 50. Jahrestag unsere Probleme hätten. So planten wir damals, schon aus innerem Protest heraus, das zukünftige Jubiläumsziel sind 111 Jahre Männerchor. Nicht wissend, dass alles anders kommen würde. Ungern erinnere ich mich an die Treffen der Kreisarbeitsgemeinschaft Chor am Kirchplatz, wo immer eine ideologische Ausrichtung der Chorverantwortlichen passieren sollte. Hier erfolgte die Kulturkritik und Anleitung der Umsetzung der Beschlüsse der SED-Kulturpolitik für die untere Ebene. Es wurden oft die Männerchöre für ihre Verhaltensweisen und für ihr Liedgut kritisiert. Der Vorsitzende übte sich in Alleinunterhaltung, diktierte das Kulturgeschehen und ließ kaum eine andere Meinung, als die Seine, gelten. Für viele Teilnehmer der Chöre des Kreises Großenhain war es die Pflichtveranstaltung, denn oft ging es auch um Fördergelder für die Kulturarbeit. Ein wichtiger Tag war die Demonstration am 12. April 1990, Contra dem Fluglärm. Der Aufruf von der SPD, dem sich die CDU anschloss, diente dem stillen Protest mit einer Menschenkette vom Rathaus bis zum Flugplatz. Allen Teilnehmern ging es darum, etwas gegen unsäglichen Flugplatzlärm der MIG ?™s am Tage und in der Nacht zu tun. Da wir immer Dienstagabend Chorprobe im Kulturraum der Lautex hatten, mussten beim Starten der Maschinen durch den sehr lauten taubmachenden Fluglärm die Übungen unterbrochen werden. Schließlich fassten wir den Entschluss, die Probeabende auf Montagabend vorzuverlegen. Ohnmächtig etwas gegen die Brutalität der Sowjetarmee zu tun, fanden sich zur Menschenkette sehr viele Sangesfreunde ein, um wenigstens Signale gegen diese Belästigungen zu setzen. Das politische Ziel diente im gemeinsamen Protest der Auflösung des Militärflugplatzes.
18.00 Uhr - ein erhebender Augenblick, die Kette - Hand in Hand - für ein ruhiges Großenhain ohne Tiefflüge (Fotos: S. Behla)
Die vielen erlebten Bevormundungen und Demütigungen ließen in uns den Gedanken einer unbedingten Veränderung reifen. Schließlich entluden sich der Frust und aller Unmut bei den Sprechchören und freien Reden der Demo-Teilnehmer in Großenhain immer donnerstags.
Zeit des Neubeginns mit Großenhainer Sängern
Die(Wieder)-Gründung des Sächsischen Sängerbundes e.V. erfolgte am 08. September 1990 im Colditzer Schlosssaal. Die Sänger vom Colditzer Männerchor ergriffen die Initiative und luden die Männerchöre Sachsens zur Gründungsversammlung ein. Viele Chorvertreter waren der Einladung gefolgt. Von unserem Chor delegiert waren die Sangesfreunde Gerhard Kürbis, Andreas Franke und Siegfried Behla. In der Anwesenheitsliste trugen wir uns als 20. Chor ein. Zur Eröffnung sangen alle Chorvertreter das Bundeslied von W. A. Mozart, Brüder reicht die Hand zum Bunde. Im Anschluss wurde der einstigen Liedermeister der sächsischen Bundeschöre gedacht, die namentlich verlesen wurden. Dabei wurde auch der Kirchenmusikdirektor Paul Gläser aus Großenhain benannt. Dass sich der Bund nur um die Männerchorarbeit bemühte, war der Tatsache geschuldet, dass die DDR-Kultur-Denker das Männerchorwesen total abwertend deuteten. Aus heutiger Sicht war diese Einspurigkeit ein Fehler, aber für das Selbstbewusstsein der Männerchöre im Land sehr wichtig. In großer Einmütigkeit, ohne Gegenstimmen bzw. Stimmenthaltungen, wurde der Vorstand in fünf Einzelabstimmungen gewählt. Das erste SSB-Präsidium setzt sich wie folgt zusammen: Präsident: A. Peter Bräuer, Colditz Vizepräsident: Karl Frotscher, Dresden Geschäftsführer: Frank Männel, Rodewisch Schatzmeister: Joachim Häßler, Reichenau Schriftführer: Siegfried Behla, Großenhain Mit dem Sächsischen Sängerspruch, Treu schlägt das Herz, gern hilft die Hand, hell klingt das Lied im Sachsenland beendeten die Chorvertreter die historische Wieder ?“ Gründungsversammlung. Mit unserer Beitrittserklärung gehörten wir wiederum dem Deutschen Sängerbund e.V. an. Ein sehnsüchtiges Ziel wurde erreicht. Von der Geschichte wurde mancher eingeholt. Auf Grund von Stasi-Verstrickungen im DDR-System wurde der erste Präsident in der Mitgliederversammlung vom 15. Februar 1992 seines Amts enthoben. Das Amt des Vizepräsidenten war nach dem unerwarteten Ableben des hochverehrten Kantors Karl Frotscher seit Ende Februar 1991 nicht mehr besetzt. Es musste ein neues Präsidium gewählt werden.
Schlosssaal Colditz - Wiedergründung des Sächs. Sängerbundes im September 1990. v.l.: der neue Vorstand: Sfr. Behla, Häßler, Männel und Bräuer (Foto: SSB-Chronik)
PlIn einer weiteren Außerordentlichen Mitgliederversammlung des SSB am 11.April 1992 in Colditz, unter der Versammlungsleitung des Präsidiumsmitgliedes Siegfried Behla, wurde ein Kapitel des Sängerbundes abgeschlossen und ein neues aufgeschlagen. Als neuer Präsident kandidierte Wolfgang Wehmann, Dresden. Einstimmig wurden die Kandidaten von den Mitgliedern gewählt. Vizepräsident wurde Peter Schmidt aus Reichenberg. Im gleichen Maße ergänzte die Mitgliederversammlung die Satzung und öffnete den Bund für die Gemischten- und Frauenchöre. Zum Vorsitzenden des Musikausschusses erklärte Kantor Joachim Jänke seine Bereitschaft und Sfr. Gerhard Kürbis wurde im Amt des Erweiterten Präsidiums bestätigt. Der neue Präsident Wehmann dankte in seinem Schlusswort insbesondere Siegfried Behla, der erneut ins Präsidium gewählt wurde, für seine aufopferungsvolle und tatkräftige Tätigkeit bei der Überbrückung der kritischen Situation im Sächsischen Sängerbund. (Auszug, Chronik des SSB)
Aufsteh'n, aufeinander zu geh'n
DieVereinsgründung wurde am 24. September 1990 mit einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zum Männergesangverein TV -1885 Großenhain e.V. vollzogen. Auf Grund des neuen Vereinsgesetzes im BGB, haben wir unsere Satzung mit Hilfe vom Partnerchor aus Öhringen, und eines Chores aus dem Ruhrpott erstellt. Der 2. Vorsitzende, Siegfried Behla, leitete die Außerordentliche Mitgliederversammlung. Die neue Vereinsatzung wurde vorgestellt, erläutert, diskutiert und schließlich einstimmig von den Vereinsmitgliedern beschlossen. Insgesamt unterzeichneten 10 zukünftige Vorstandsmitglieder die Neueintragung ins Vereinsregister. Es waren die Sangesfreunde Werner Jähnichen, Wolfgang Scholze, Wolfgang Liebig, Gerhard Kürbis, Volker Muschter, Joachim Fuchs, Gerhard Naumann, Klaus-Dieter Hommel, Gerhard Pohling und Siegfried Behla.
Der Sangesfreund Werner Jähnichen wurde nochmals als Vorsitzender und Siegfried Behla als Stellv. Vorsitzender gewählt. Im Interesse aller und in Anbetracht des angegriffenen Gesundheitszustandes des Sfr. Jähnichen wurde im Frühjahr 1991 der Sfr. S. Behla zum Vorsitzenden, Sfr. Wolfgang Scholze zum Stellv. Vorsitzenden gewählt. Der Sfr. Werner Jähnichen wurde zum Ehrenvorsitzenden und ständigen Mitglied des Vorstandes ernannt. Der Verein wurde am 11. April 1991 unter der Nummer VR 104 in das Vereinsregister des Kreisgerichtes Riesa-Großenhain eingetragen. Mit der Vereinsgründung begann die eigenständige Vereinsverwaltung und Finanzierung aller Vorhaben, Musikrechte und Beteiligungen. Der erste vereinbarte Beitrag, pro aktiven Sänger, lag bei 5, ?“ DM pro Monat. Dank der Beschlüsse von 1948, gab es bei der weiteren Konstituierung des Vereines keine Probleme, weil wir uns immer als Verein verstanden haben.
Am 01. Oktober 1990 war die letzte Übungsstunde in der DDR. Obwohl dieser Abend wie jeder andere begann, endete er für die 26 Sänger unter dem Chorleiter Egon Häusler anders als sonst. Kurz vor Schluss ergriff der 2. Vorsitzende S.Behla das Wort und hielt eine besinnliche Ansprache. Heute beenden wir die Singestunde in der so genannten DDR. Morgen Abend Schlag Mitternacht wird unser Vaterland wieder Deutschland heißen ?¦ ?¦ Zum Abschluss sangen wir alle gemeinsam, mit Klavierbegleitung des Chorleiters, das Lied der Deutschen, Vers drei: Einigkeit, Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland ?¦. Das Lied erklang nach 45 Jahren zum ersten Mal auf unserem Gebiet wieder. Auch wenn die Klangfarbe fehlte, dazu waren alle zu sehr bewegt, und der berühmte Kloß im Hals beeinträchtigte die Stimme.
Partnerschaft suchen
Mitder neu gewonnenen Freiheit entfaltete sich im Männerchor ein vielfältiges aktives und reiches Vereinsleben. Partnerschaften wurden erlebt und gegründet. Singende Gäste trafen sich in Großenhain. Aufgrund unserer Choraktivitäten und der Mitwirkung im SSB gab es mehrere kulturelle Chorhöhepunkte. Auch mit unseren Beiträgen als Männerchor entwickelte sich unser Großenhain zur Kulturstadt. Die Chorfahrt ins Saarland vom 05. Oktober bis zum 08. Oktober 1990 war ein Chorerlebnis der Superlative. Über unseren Chorleiter Egon Häusler aus Graupa, kamen wir in Kontakt mit dem Männerchor Burkardtswalde/Glashütte. Dieser Männerchor hatte eine Beziehung ins Saarland aufgebaut. Der damalige Vizepräsident des Saarsängerbundes, Manfred Grünbeck, wollte es zu DDR-Zeiten unbedingt erreichen, dass eine Chorbegegnung im Saarland stattfindet, weil der Staatsratsvorsitzende der DDR Honecker ja auch ein Saarländer sei.
Singen schlägt Brücken - Saarlandfahrt vom 5.-8. Oktober 1991 -Sängerfest in St. Ingbert beim Becker-Chor (Foto: S. Behla)
Wie ein Wunder, der Zielort war Ommersheim in der Gemeinde Mandelbachtal, ohne Honeckers Zustimmung. Wir waren der erste Chor im Saarland, nachdem die deutsche Einheit vollendet war. Es war ein Ort mit 2200 Einwohnern, 28 Vereinen, davon eine Chorgemeinschaft mit 86 aktiven Sängerinnen und Sängern, einen Nachwuchs- und Schulchor, ein Kirchenchor und ein Orchester mit 102 aktiven Musikern. Uns wurde gesagt, dass Ommersheim der musikalischste Ort im Saarland sei. Freundschaftsabende mit Chorgesang und Begrüßungsreden, eine Stippvisite in Frankreich, eine Gottesdienstumrahmung, Eintragungen aller ins Ehrenbuch von Ommersheim. Das Sängertreffen in St.Ingbert bleibt für die Beteiligten unvergessen. Als wir uns auf der Bühne formiert hatten und die Ansage erfolgte, trat plötzliche Stille ein. Nach dem ersten Lied stellte der Chorsprecher Siegfried Behla die Vereine vor. Bei diesen Worten ergriff es manchen unserer Zuhörer. Unser Lied Brüder reicht die Hand zum Bunde drückte in der riesigen Halle die Gefühle und Hoffnungen aller Anwesenden aus. Es flossen Tränen der Freude und Ergriffenheit, und Hände wurden von unbekannten Menschen gedrückt.
Chorleiter Kantor Joachim Jänke
NachdemEgon Häusler im November 1990 den Chorleiterdienst mit uns abrupt beendete, begann am 04. Dezember 1990 die erste Probe mit Kantor Joachim Jänke für die angenommenen Weihnachtskonzerte. Ihm lag sehr viel daran, den Männerchor zu fördern. Zum ersten Mal sangen wir unsere Weihnachtslieder in der Marienkirche Großenhain. Mit dem Kantor Joachim Jänke, erstmalig einem Kirchenmusiker, begann ab dem Chorjahr 1991 ein verändertes Proberegime. Wir übten wieder dienstags, an seinem eigentlichen freien Abend in der Woche. Stimmbildungen und Lockerungsübungen fanden bald guten Anklang und wurden zur Normalität. Im Repertoire fand auch das geistliche Lied seinen Platz. Bald veränderte sich das Klangbild des Männerchores positiv. Eine neue musikalischeära begann zum Wohle aller Beteiligten. Joachim Jänke wurde Mitglied unseres Vereines. Der Chorgesang entwickelte sich in eine andere Richtung. Mit seiner Erfahrung und seinem Können erarbeitete er mit den Sängern ein Festkonzert für den 27. April 1996 in der Marienkirche. Der Anlass war 111 Jahre Männergesangverein 1885 Großenhain-Naundorf e.V. Mit einem erstmalig gesungenen Block geistlicher Chorsätze waren am Schluss selbst die letzten Skeptiker von der Richtigkeit überzeugt. Mit dem Konzert Lieder durch die Zeiten wurde die Vertrauensbasis hergestellt. Am Konzertende erklang mit allen Gästen der Kanon Dona nobis pacem.
27. April 1996 - Festkonzert in der Marienkirche - 111 Jahre MGV (Foto: B. Günther)
Der letzte Ton war verklungen, da erhoben sich die zahlreichen Besucher von ihren Plätzen und dankten allen Mitwirkenden mit anerkennendem Applaus. Wir, als Sänger applaudierten mit und dankten insbesondere unserem Chorleiter Joachim Jänke. In der Sogwirkung dieses Konzertes wuchs unser Chor auf 41 aktive Sänger an. Unmittelbar nach dem künstlerischen Ereignis begaben sich unsere sechs jungen aktiven Mitglieder, um die 20 Jahre, auf die Arbeitsuche in die alten Bundesländer. Es war ein enormer sängerischer Einbruch für den Chor.
Zelter-Plakette
Am 09. März 1995, wurde uns in einer Zentralen Festveranstaltung in Rostock vom Bundespräsidenten Roman Herzog, die Zelter-Plakette verliehen. Diese ist die höchste Auszeichnung, die Laienchöre, wie auch Laienmusikgruppen in der Bundesrepublik Deutschland, die der jeweilige Bundespräsident alljährlich verleiht. Die Antragsteller müssen auf eine 100-jährige aktive Tradition verweisen können. Eine Abordnung unseres Chores konnte diesen großen Tag der Chor- und Musikvereine vor Ort erleben. Ein besonderes Gemeinschaftserlebnis war unser Festakt mit der Übergabe, der unter dem Motto stand: Singen heißt verstehen. Durch die Vertreterin der sächsischen Landesregierung, Frigga Schnakengburg, erhielten wir am 26. Mai 1995 im Alberttreff Großenhain die gewichtige, bronzene Plakette. Als unsere Gäste begrüßten wir Horst Rasch (MdL), Landrat Rainer Kutschke und Bürgermeister Burkhard Müller. Alle würdigten mit Ansprachen dieses besondere Ereignis.
Im SSB waren wir damals der dritte Verein, der diese Ehrung erhielt. - Übrigens erhielt die Großenhainer Kantorei für ihr 444-jähriges Bestehen 1996 die Zelter-Plakette. Der Unterschied zu uns, sie waren als Chor im Festakt eingebunden und die Übergabe erfolgte vom Innenminister im Auftrage des Bundespräsidenten.
Mit Begründung der Städtepartnerschaft zwischen Öhringen bei Stuttgart und Großenhain beauftragte der Verein den Vorsitzenden Behla, einen Partnerchor für uns ausfindig zu machen. Unsere Meinung war, dass eine Städtepartnerschaft nur im direkten Kontakt zwischen den Menschen geschehen kann. Was einst am 03. Oktober 1990 mit einer Kontaktaufnahme begann, fand Anfang Juli 1992 seinen ersten Höhepunkt. Analog der Städtepartnerschaft meldeten sich die Sangesfreunde vom MGV Michelbach am Wald e.V. Mit dem Vorsitzenden Toni Kunz hatten wir einen sehr verständnisvollen, humorvollen und zielstrebigen Partner an unserer Seite. So kam es 1991 zum ersten Besuch in Großenhain, und im darauf folgenden Jahr erlebten 25 Aktive mit Partnerinnen eine 3-Tagefahrt nach Öhringen. Der Anlass war ein Dorffest mit der Übergabe der Ortsdurchfahrt und der Enthüllung des Dorfbrunnens, aus dem Wein floss. Wir haben neben den herzlichen Michelbacher Menschen viel Schönes erleben können. - Damals zum Beginn unserer Partnerschaft wussten wir noch nicht, dass wir es mit einem Weinbauerndorf und eben einem solchen Chor so günstig treffen würden. Seit dieser Zeit fließt der viel gepriesene Wein, damals der Weingärtnergenossenschaft Michelbach-Söllbach, jetzt aus der Weinkellerei Hohenlohe, in die 30 Kehlen der Großenhainer Weintrinker. Der Vertrieb erfolgt ehrenamtlich im Rahmen der Möglichkeit, die eine Gemeinnützigkeit eines Vereines möglich macht. Übrigens, der Weinstand des Männerchores Großenhain-Reinersdorf ist immer ein begehrter Treffpunkt zu Stadtfesten oder zu besonderen Anlässen.
Vom Präsidium des SSB beauftragt, war der Männerchor am 11. September 1993 Gastgeber für das Sächsische Männerchorfest in Großenhain. Um die ca. 800 Sänger versammelten sich damals. Unsere Marien-Kirchgemeinde zeigte sich als ein guter, fördernder Gastgeber, und so konnten das Eröffnungs- und Abschlusskonzert in dem Spätbarockbau stattfinden. Erstmalig wurden stolz viele wertvolle historische Sängerfahnen präsentiert. Der Sängerumzug verlief bewusst ein Stück auf der Strecke unserer Donnerstagdemonstrationen in Großenhain bis zum Friedhof. Hier gedachten die Sänger am Grab von Paul Gläser mit einer Andacht von Pfarrer Wilzki und Chorgesängen dem Chormeister des Sächsischen Sängerbundes. Unsere Stadt mit ihren Menschen und mit unserem Bürgermeister Müller erwies sich als ein würdiger Gastgeber.
Der SSB feierte am 02.10.1999 seinen 75. Gründungstag mit einem großen Sängerfest in Großenhain. Der Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und der Präsident des Deutschen Sängerbundes grüßten mit einem Vorwort in der Festschrift die Sängerinnen und Sänger. Der Präsident des Sächsischen Sängerbundes, Wolfgang Wehmann, verfasste für Großenhain einen Sängerspruch für alle Chorsparten Heimatlied im Heimatland. Als Gastgeber gemeinsam mit der Stadt entwickelte sich dieser sonnige Sängertag zu einem großen Chorfest in Großenhain. Gemeinsam mit den Gästen, dem Konzertchor aus Braunschweig und den über 1850 Sängerinnen und Sängern wurde auf drei Bühnen vor dem Rathaus gesungen und musiziert.
Übrigens, am 03. Oktober 1999, zu unserem Nationalfeiertag, erklang in der Marienkirche von Felix Mendelssohn Bartholdy der 95. Psalm op. 46 und die Sinfoniekantate Lobgesang op. 52 vom Konzertchor Braunschweig und dem Orchester musica juventa aus Halle. Dieses Konzerterlebnis wurde von unseren Gästen zum Sängerfest bewusst ausgewählt. Auf Initiative des Männergesangvereines 1885 Großenhain-Naundorf e.V. konnte mit Hilfe von Spendern in der großen Abschlussgala unserem Bürgermeister B. Müller vom Präsidenten W. Wehmann und dem Vorsitzenden S. Behla eine Ehrentafel zur Erinnerung an den KMD Paul Gläser überreicht werden.
2. Oktober 1999 - Übergabe der Paul-Gläser-Gedenktafel an den Bürgermeister B. Müller durch v.l. S. Behla, Vors. d. MGV und W. Wehmann, Präsident des SSB (Foto: B. Günther)
Es wurde die Bitte geäußert, diese zum Gedenken an das Wohnhaus auf der Thomas-Mann-Straße 3 anbringen zu lassen.
Schließlich trafen sich am 24. und 25. August 2002 die Sängerinnen und Sänger in Großenhain auf der 3. Sächsischen Landesgartenschau zu einem Sängerfest. Insgesamt belebten 1540 Teilnehmer die LGS unmittelbar nach der Jahrhunderflut. Unser gastgebender Anteil war die Vorbereitung mit der Landesgartenschau GmbH, so dass die weit gereisten Gäste durch eine exakte Organisation sich Wohlfühlen konnten. Nach der großen Flut waren die Sängerinnen und Sänger des SSB diejenigen die manche falsche Nachricht vom Hochwasser widerlegen konnten.
Die Abschlusskonzerte waren ein unvergessliches Ereignis. Unser Chorleiter Stefan Jänke dirigierte den Massenchor mit seinem Auftragswerk, die Hymne der 3. Sächsischen Landesgartenschau in Großenhain, sein Lied Traum von der Natur und des weiteren das von ihm gesetzte, dem SSB gewidmete Lied Die Natur ist voller Wunder. Die Sänger mit dem weitesten Weg waren unsere Partner, der Wengerter-Chor in der Mundart benannt (Weingärtnerchor), aus Adolzfurt, dem Hohenloher Land. Am Abend hatten wir als Gastgeber eine erlebnisreiche Chorbegegnung im Alberttreff.
Stabwechsel in der künstlerischen Leitung
Viele schöne kulturelle Erlebnisse hatten wir mit unserem Chorleiter. Wir waren am 06. Juni 1992 beim Treppensingen in Dresden dabei, gestalteten zur Sängerwerbung jährliche originelle Faschingsvergnügen, traten mehrfach zu Sängerfesten in Bad Lausick auf, sangen bei uns zu Stadt- und Parkfesten, auf den Weihnachtsmärkten, gaben karitative Konzerte in der Diakonie Großenhain und in Riesa. Im Gemeinschaftsorchester Großenhain e.V. fanden wir einen wunderbaren Konzertpartner.
Am 01. September 1996 wurde Kantor Joachim Jänke zum Kirchenmusikdirektor berufen und in einem feierlichen Gottesdienst eingeführt. Das war für viele Sangesfreunde ein besonderes Erlebnis. Zu den Gratulanten zählte im Anschluss der Vizepräsident P. Schmidt vom SSB und S. Behla, Vorsitzender vom MGV 1885 Großenhain-Naundorf e.V. Mit dieser Funktion signalisierte der KMD im Chor, dass sie mehr Zeit von ihm in Anspruch nehmen wird. Die Reihe der Auftritte unter dem Dirigenten Joachim Jänke ist lang und erfolgreich. Sie dauerte bis zum 04. September 2002. Anlässlich der traditionellen Wandersingestunde des Chores war der Zielort unseres Treffens der Öhringer Garten im LGS Gelände. Hier kam es am Abend zur symbolischen Stabübergabe vom Vater Joachim - auf den Sohn Stefan Jänke.
Stefan Jänke ist 29 Jahre jung, ein ausgebildeter Diplomkomponist für Rock, Pop und Jazz. Aus Vertretungsproben ist er uns gut bekannt. Seine künstlerischen Ambitionen lagen bisher in der Leitung des Männerchores Reinersdorf. Die 11 Reinersdorfer Sangesfreunde waren unserer Einladung gefolgt und es kam zum ersten gemeinsamen Gesang.